Donnerstag, 12. Januar 2017

Der Held der Arbeit und sein glorreicher Tag

Der Held der Arbeit hat es auch heute geschafft, sich pünktlich zu erheben. Die Massen feierten seine triumphale Auferstehung und seinen kompromisslosen Gang ins Bad. Die Präzision seiner Rasur sorgte für die ersten Begeisterungsstürme, die nach der effizienten Einnahme des Frühstücks nicht mehr abebben wollten. Die beiläufige Eleganz, mit der er seinen Arbeitsweg bewältigte, liess die Leute träumen und ihren tristen Alltag vergessen.
Sie blickten hier auf jemanden, der es in seinem Fach zur höchsten Meisterschaft gebracht hatte und der sich trotzdem nicht auf seinen Lorbeeren ausruhte. Hier war ein begnadeter Könner am Werk, der seinen Kaffee in der exakt richtigen Zeit trank um innerlich noch erwärmt zu werden ohne sich den Mund zu verbrennen. Hier war der König der selektiven Mailbeantwortung, der Spitzenreiter jeder Produktivitätsstatistik. Bei seiner heutigen Leistung fiel den Leuten auf, dass er sogar seine grösste Schwäche, die Anfälligkeit gegenüber Ablenkung, komplett im Griff hatte. Es schien als würden sie heute Zeuge eines historischen Tages werden, der zweifelsohne in die Annalen der stumpfsinnigen Ausbeutung des Menschen durch das arbeitsteilige Wirtschaftssystems eingehen würde. Unser Held hatte alles überwunden, was ihn an der Erreichung seiner Bestform hätte hindern können: Stolz, Selbstachtung, persönliche Interessen, Moral und das eigene Streben nach Glück und Freiheit. All das musste er hinter sich lassen um heute da zu stehen, wo er am Schreibtisch sass: An der Spitze der Unterwerfung, an dem vordersten Platz des Hundeschlitten, am längsten Ruder der Sklavengaleere. Sein Erfolg war aber nicht isolierter Selbstzweck, sondern macht ihn zum Vorbild und Hoffnungsspender für all die Millionen leere Gefässe, die darauf warten mit derselben Mischung aus Resignation und Selbstaufgabe befüllt zu werden. Hier war der Held der Arbeit, der aus seinem kläglichen Tagwerk eine bewundernswerte Kunstfertigkeit gemacht hat und sich dadurch über alles erhoben hatte. Auf unseren Helden!

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